Berlin-Kreuzberg, Paul-Lincke-Ufer
40, 3. Hinterhof, 2. Stock, kurz vor 20.00 Uhr. Jeden Mittwoch abend trifft sich hier ein Kreis von 20-25
Leuten aus der ganzen Stadt zu einer gemeinsamen Gebetszeit. Die Räume, in
denen das Gebet stattfindet, sind von der Gemeinschaft Monte Crucis angemietet und eingerichtet worden. Mittelpunkt ist
ein Meditationsraum, der zu Gebet und Aussprache geradezu einlädt. Tagsüber
herrscht in diesen Hinterhöfen immer ein reges Treiben, aber am Abend ist es
hier sehr ruhig.
Was zieht die Menschen in den 3. Hinterhof? Was veranlaßt sie, sich am Abend dieses Tages Woche für Woche
noch einmal von Spandau, Zehlendorf, Tegel oder anderen Stadtteilen auf den
Weg zu machen?
Es ist ein gemeinsames Gebet von 1 1/2 Stunden.
Ein Teilnehmerin sagt: "Der Gebetskreis ist für mich so
wertvoll, daß ich dafür unter allen Umständen
versuche, den Mittwochabend freizuhalten. Gerade weil er mitten in der Woche
liegt und weil ich oft in Zeitnot bin, empfinde ich die intensive Erfahrung
der Nähe Gottes in Gemeinschaft mit anderen zusammen als richtige Oase, die
für mein Leben notwendig und bereichernd ist.”
Wie verläuft dieses gemeinsame Gebet?
Wichtig und typisch ist, daß jede/r
sich am Gebet beteiligen kann. Im 2. Vat. Konzil
wünscht die Kirche die "volle, bewußte und
tätige Teilnahme (d.h. der Gläubigen) an den liturgischen Feiern” (Liturgie
14). An dem Gebetsabend geschieht das in einem hohen Maße. Es werden keine
Gebete vorgelesen, sondern aus dem Herzen heraus frei gespro-
chen. Alle sind eingeladen, sich zu beteiligen;
niemand wird gedrängt, aber die meisten bringen sich ein.
Der Abend hat einen Aufbau, dem wir locker folgen.
Am Anfang werden mehrere Lieder gesungen. Sie sind dem großen
Schatz neuer geistlicher Gesänge entnommen, die in den letzten 20 Jahren
entstanden sind. Dieses Singen zu Beginn öffnet uns zu Gott hin. Es wird mit
eigenen Worten fortgesetzt. Im Lob und Dank Gottes wächst die Gruppe langsam
zu einer Gemeinschaft zusammen. Manchmal ist darin Gottes Gegenwart zum Greifen spürbar. Der Alltag wird nicht
verdrängt, sondern kommt mit Gott in Verbindung und wird so in neuem Licht gesehen.
Deshalb ist es möglich, für manche schwierige oder auch schmerzliche
Erfahrungen zumindest nachträglich zu danken.
Nach dieser Phase beginnt eine etwa 20minütige Stille, in die
wir meist mit einem Bibelwort gehen. Im Schweigen kann dieses Wort sehr tief
wirken. Es ordnet uns auf das Wesentliche im Leben hin. Wir erahnen die Größe
und Liebe Gottes und finden gleich- zeitig unsere eigene Mitte. Dieses
Schweigen ist oft der Höhepunkt des Abends. Viele von uns haben
Schwierigkeiten, zu Hause alleine still zu
werden oder zu meditieren. Hier im Gebetskreis geht es auf einmal. Das
gemeinsame Schweigen ist die entscheidende Hilfe, daß
jede/r einzelne zu einem persönlichen Schweigen finden und darin verweilen
kann.
Es sind sehr kostbare Minuten, die uns da Woche für Woche
geschenkt werden. Die Unruhe und Anstrengung des Tages fallen ab, wir kommen
in unsere Mitte, der Raum des inneren Schweigens öffnet sich. Viele Menschen
wünschen sich, Gottes Nähe doch einmal erspüren zu dürfen, aber sie wissen
nicht, was sie dazu beitragen können. In dem Gebetskreis wird uns diese
Erfahrung immer wieder geschenkt. In diesem Raum des Schweigens breitet sich
eine innere Wärme aus, die das oft verhärtete Herz zum Schmelzen bringt.
Jetzt ist der Augenblick zu einem vertrauensvollen persönlichen Gebet gekommen, d.h. zu einer stillen Zwiesprache mit
Gott. Je länger sie dauert, desto einfacher wird sie. Manchmal verweilen wir
in der Gegenwart Gottes fast ohne Gedanken und Worte, ruhen in ihr aus,
empfangen neue Kraft oder genießen einfach nur seine Nähe in liebender
Aufmerksamkeit auf den sich mitteilenden Gott. Was in diesem Schweigen
geschieht, ist schwer in Worte zu fassen. In jedem Fall ist es äußerst
heilsam.
Aus dem Schweigen gehen wir über in die Anbetung Gottes.
Wieder trägt uns das eine oder andere Lied. Oft sind es kurze Gesänge, z.B.
aus Taizé, die wir auswendig singen, damit die
Gebetsatmosphäre nicht durch Regieanweisungen unterbrochen wird. Erstaunlich, wie das Schweigen uns selbst
verändert und damit auch unser Gebet. Oft beteiligen sich jetzt - hörbar -
auch die am Gebet, die bisher geschwiegen haben. Und das Gebet kommt jetzt
noch mehr aus der Herzensmitte, ist einfühlsamer für die Gebete der anderen,
ist noch mehr auf Gott bezogen. Wie von allein atmet es die Atmosphäre der
großen biblischen Anbetungsszenen: "Heilig, heilig, heilig Gott,
Herr aller Mächte und Gewalten. Erfüllt sind Himmel und Erde von deiner
Herrlichkeit...” (vgl. Jes 6,3) oder ”Würdig bist
du, unser Herr und Gott, Herrlichkeit zu empfangen und Ehre und Macht...” (Apk 4,11). Diese Phase der Anbetung bekennt und rühmt den
Sieg Gottes über alles Lebensfeindliche und Zerstörerische ("Mächte und
Gewalten”). Sie weitet den Glauben und öffnet Perspektiven der Hoffnung
gerade auch für Situationen, in denen wir unsere Ohnmacht erfahren und wenig
Hoffnung sehen.
Deshalb treten wir jetzt in die Phase der Fürbitte ein, um
auch andere Menschen unter Gottes heilenden und befreienden Einfluß zu bringen. Denn wir wollen die Liebe und die
Fülle, die wir in der Berührung durch Gott empfangen, auch an andere
weitergegeben. Und obwohl die einzelnen Anliegen in vertrauensvoller
Schlichtheit meist nur kurz vor Gott gebracht werden, haben wir schon so
manche Erhörung erfahren dürfen. Wenn es den Menschen, für die wir gebetet
haben, besser geht oder sich andere Veränderungen ergeben haben, teilen wir
uns das mit, freuen uns darüber und danken Gott dafür. Manchmal nehmen wir
uns noch die Zeit, nach dem Gebet gemeinsam über das Erlebte zu reflektieren.
Was die einzelnen dann sagen, ist hilfreich und bereichernd und macht noch bewußter, wie die
Führung durch den Geist Gottes an diesem Abend verlaufen ist und was wir
konkret von dem Abend "mitnehmen”.
Wir schließen das gemeinsame Gebet mit einem Vaterunser, dem
"Gegrüßet seist du, Maria” und einem Lied ab.
Alle sind eingeladen, in geselliger Runde bei einer Tasse Tee
den Abend ausklingen zu lassen. Dabei kommen wir miteinander ins Gespräch,
hören voneinander und lernen uns persönlich besser kennen.
Noch einmal ein Zitat einer Teilnehmerin: "Seitdem ich
regelmäßig am Gebetskreis teilnehmen kann, erkenne ich nun im Rückblick, daß ich nach langer Zeit eines geistlichen Lebens auf
Sparflamme (bedingt durch kleine Kinder) nun ein kontinuierliches inneres
Wachstum sehen darf. Deshalb möchte ich den Kreis nicht mehr missen.”
Wer an diesem Gebet einmal teilnehmen möchte, ist herzlich
eingeladen. Wer noch weitere Fragen hat und vorher darüber sprechen möchte,
kann sich an die folgende Tel-Nr. wenden: 030/32 000112 oder an htommek@gmx.de
Christiane
Amende, P. Hubertus Tommek SJ
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