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Suchwege
Die Sehnsucht, die
einen Menschen bewegt, aufzubrechen, nach Gott zu fragen und ihn zu suchen,
zeugt von einer geheimnisvollen inneren Vitalität. Darüber kann man nicht nur
in alten Schriften lesen, diese Vitalität bricht sich auch heute Bahn. Die
religiöse Großwetterlage in unseren Breitengraden begünstigt solche Aufbrüche
nicht gerade. Im Gegenteil. Dennoch gibt es die Menschen, die auch heute nach
Gott rufen wie der blinde Bettler Bartimäus nach
Jesus gerufen hat (Mk 10,46-52). Sein Schreien ist
der Menge lästig. Sie versuchen, ihn zum Schweigen zu bringen. Aber er läßt sich nicht einschüchtern. Er folgt seiner Sehnsucht,
mit Jesus in Kontakt zu kommen, bis es zu der Begegnung kommt, die die Wende
ist für sein Leben. Er kann wieder “sehen” und folgt Jesus auf seinem Weg.
Auf diesen Suchwegen
haben immer Menschen eine wichtige Aufgabe. Die Wege, die gegangen werden
müssen, sind oft kompliziert, die Entfernungen, die erst zurückgelegt werden
müssen, können lang sein, bis es zu der entscheidenden Begegnung kommt, die
die Wende einleitet. Die ganze Welt ist die Bühne, auf der sich diese manchmal
dramatischen Ereignisse zutragen. Dahinter scheint ein geheimnisvoller Plan
zu stehen, eine geheimnisvolle Führung, die will, daß
ein Kontakt z.B. mit der “Christlichen Glaubens- und Lebensschule St.
Ignatius” in Berlin zustande kommt. Hier soll das, was irgendwo auf dieser
Welt begonnen wurde, weitergeführt werden. Das Ziel ist, “den Seelen zu
helfen” (Ignatius von Loyola), d.h. sie in den Kontakt zu Jesus Christus und
“zum Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus” (Eph
1,3) zu bringen bzw. sie zu begleiten, daß das von
Gott schon gestiftete Verhältnis wachsen und sich in ihrem Leben auswirken
kann.
Der Beginn
Als
ich Ende 1988 die “Christliche Glaubens- und Lebensschule St. Ignatius”
gründete, hatte ich mit diesen geheimnisvollen Führungen noch nicht so viele
Erfahrungen. Damals hatte ich die Aufgabe bekommen, die Exerzitienarbeit
im Erzbistum Berlin zu fördern. Ich überlegte, wie ich über das Erstellen eines
Exerzitienplanes und das Geben von Exerzitien
hinaus diese Aufgabe so erfüllen könnte, daß
auch Menschen neugierig würden, die bisher noch nie Exerzitien gemacht
hatten. In Gemeinden darüber Predigten oder Vorträge zu halten, erwies sich
als wenig wirkungsvoll. Mir kam dann bald der Gedanke, im Sinne des Exerzitienbüchleins (Nr. 18) “einfache Übungen”
anzubieten, auf die sich interessierte und suchende Menschen eher einlassen
könnten als auf die unbekannte Welt von “Exerzitien”, die in einem Haus am Rande
der Stadt stattfinden. Außerdem konnte ich zu diesen Übungen vor Ort
einladen. Die Kellerräume des Ignatiushauses in der
Neuen Kantstraße (Charlottenburg) erwiesen sich als sehr geeignet dafür. Man mußte sich nicht erst für ein ganzes Wochenende von Zuhause
lösen, sondern konnte sich einmal an einem Abend oder an mehreren Abenden auf
eine geistliche Erfahrung einlassen. Dieses Konzept erwies sich als richtig.
Bis heute kommen genug Menschen, die die Angebote der Glaubens- und
Lebensschule gerne annehmen und dadurch neugierig werden, Wege der Vertiefung
zu suchen und zu gehen.
Die Angebote
Um den Menschen möglichst entgegenzukommen und sie dort
abzuholen, wo sie stehen, sind die Angebote breit angelegt, angefangen von
meditativen Körperübungen über Sinn- und Daseinsfragen und
Glaubensgespräche bis hin zu Exerzitien im Alltag.
Im Zentrum stehen Angebote, die mit geistlichen Übungen
verbunden sind und sich über einen längeren Zeitraum erstrecken, z.B. ein
fünfteiliges Bibelseminar in einer Gemeinde, d.h. fünf Abende über fünf
Wochen verteilt; Exerzitien im Alltag mit fünf oder sieben Treffen jeweils im
Abstand von zwei Wochen; ein Kurs “Wachsen an Jesus Christus” mit sieben
Abenden, alle 14 Tage ein Treffen. Der Übungscharakter dieser Angebote
besteht darin, daß an den abendlichen Treffen immer
eine Schweigemeditation von 25 Minuten gehalten wird und die TeilnehmerInnen für die folgenden zwei Wochen einen
Zettel mit nach Hause bekommen, auf dem ihnen jeweils das neue Thema erklärt
wird und wo sie auch einige Bibelstellen mit Verständnishilfen und
Anleitungen zur Meditation finden. Sie werden eingeladen und ermutigt, sich
täglich zu Hause eine stille Zeit zu reservieren, in der sie ihre Meditation
halten (20 -30 Minuten) und zu der ihnen der Zettel einige Hilfen anbietet.
Beim nächsten Treffen ist immer eine Zeit vorgesehen, in der die TeilnehmerInnen in kleinen Kreisen ihre Erfahrungen mit
der Meditation - Schwierigkeiten und Gelingen - und die Auswirkung auf ihr
Leben mit den anderen teilen.
Diese Austauschrunden sind sehr wichtig. Denn hier lernen
viele, ihre Glaubens-erfahrungen vor anderen zu verbalisieren. Es wird heute
beklagt, daß viele Christen unfähig sind, ihrem
Glauben eine “Sprachgestalt” zu geben. Das aber ist die Voraussetzung für die
“Auskunftsfähigkeit”, zu der wir nach dem Neuen Testament aufgefordert
werden: “Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der
Hoffnung fragt, die euch erfüllt” (1 Petr 3,15). Diese “Auskunftsfähigkeit” muß entwickelt werden, wenn Christen und damit Kirche
auch in unseren Gegenden missionarisch werden soll (vgl. den Text der
deutschen Bischöfe “Zeit zur Aussaat - Missionarisch Kirche sein” 26.11.2000). Dabei darf nicht vergessen werden, daß ein persönliches, vom Glauben geprägtes Klima in
einer überschaubaren Gemeinschaft die Menschen oft erst disponiert, daß sie mit ihrem Glauben an Gott Erfahrungen machen,
über die sie dann auch sprechen können. Ich vermute, daß
viele Christen aus den verschiedensten Gründen einen Mangel an
Glaubenserfahrungen haben und daß ihre Stummheit
darin begründet ist. Es wird deutlich, daß es in
der Glaubens- und Lebensschule um eine andere Schule und ein anderes Lernen
geht. Es geht um ein ganzheitliches Lernen und Verstehen, nicht nur mit dem
Kopf, sondern auch mit den Gefühlen und mit allem, was die Sprache des
Körpers meldet. Wer Gottes Wort verstehen möchte, das hier und jetzt an den
einzelnen Menschen ergeht, muß lernen, auf der
ganzen Linie differenzierter, wachsamer und einfühlsamer zu werden. Dem
dienen die verschiedenen Angebote, besonders die, die zu geistlichen Übungen
anleiten.
Geistliche Begleitung
Ein wichtiges Stichwort im Angebot der Glaubens- und
Lebensschule ist die geistliche Begleitung. Sie ist besonders für Menschen
wichtig, die gerade den geistlichen Weg begonnen haben und Hilfe brauchen,
“die Geister zu unterscheiden”, d.h. die verschiedenen Antriebe wahrzunehmen,
die sie bewegen, und nach Möglichkeit den guten, förderlichen und zum
Ziel führenden Impulsen nachzugehen und die irrigen zu meiden. Die geistliche
Begleitung muß manchmal ermutigen, daß jemand den neuen Weg mit Gott nicht wieder aufgibt,
sondern auch durch Wüstenerfahrungen hindurchgeht und dabei lernt, daß Gott diesen Weg mitgeht, im Sinne von Ps. 23,4: “Denn
du bist bei mir.” Geistliche Begleitung muß auch
dazu helfen, daß jemand, der den Weg mit Gott gehen
möchte, sein ganzes Leben in die Gottesbeziehung hineinnimmt. Nichts soll
ausgelassen werden und in einer Nische sein Eigenleben weiterführen. Alles
soll ins Licht Gottes kommen. Nur so kann die von Gott gestaltete
Persönlichkeit wachsen, die in sich stimmig und ganzheitlich, in der Sprache
der Bibel “heil” ist.
Die Glaubens- und Lebensschule geht auf die sehr
unterschiedliche Situation suchender Menschen von heute ein. Die einen fragen
erstmals nach dem christlichen Glauben und lassen sich darauf ein, manchmal
mit einer großen Bereitschaft, ohne Belastung und Ressentiment gegenüber
einem kirchlichem Hintergrund; die anderen suchen oft nach jahrelanger
Abstinenz nach Vertiefung im Glauben, weil sie die Ahnung haben, daß da noch mehr sein muß als
sie bisher erfahren haben.
Der
spirituelle Hintergrund
Die “Christliche Glaubens- und Lebensschule St. Ignatius” lebt
von der ignatianischen Spiritualität und der Exerzitienerfahrung. In den letzten Jahren ist viel
darüber gearbeitet worden, und es sind weltweit vielfältige Erfahrungen
gemacht worden. Alles das fließt in die konkrete Arbeit der Glaubens- und
Lebensschule mit ein und trägt dazu bei, “unmittelbar den Schöpfer mit dem
Geschöpf wirken zu lassen und das Geschöpf mit seinem Schöpfer und Herrn”
(eine Formulierung im Exerzitienbüchlein des Hl.
Ignatius, Nr. 15). Ziel dieser Spiritualität ist es, “Gott in allen Dingen zu
finden”. Das spricht viele Menschen heute an, die nach Spiritualität suchen,
aber nicht aus ihrem Alltag aussteigen können. Sie haben die Chance, ihr Leben und ihre Aufgaben aus der Begegnung mit Gott
neu zu empfangen und ihre Kräfte zum Wohl der Mitmenschen einzusetzen.
Diejenigen, die die Wende ihres Lebens besonders tiefgreifend erlebt haben,
staunen darüber und freuen sich, daß Gott ihnen
diesen neuen Anfang geschenkt hat und sie nun in ihm und mit ihm ihr Leben
gestalten können.
Hubertus Tommek SJ
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